Minimalistische Dark Academia Szene: Ein aufgeschlagenes Notizbuch mit viel leerem Raum und der handgeschriebenen Notiz 'stillness, then clarity'. Daneben ein Füllfederhalter und eine abgelaufene Sanduhr auf dunklem Holz. Symbolisiert Ruhe, Klarheit und den Mut zur Lücke.

Mut zur Lücke.

Warum das Weglassen die eigentliche Kunst der Lebensmitte ist.

In der ersten Hälfte unseres Lebens sind wir Sammler. Wir sammeln Abschlüsse, Erfahrungen, Kontakte, Besitztümer und Verpflichtungen. Unser Kalender ist ein Tetris-Spiel, in dem keine Lücke ungenutzt bleiben darf. Wir haben Angst, etwas zu verpassen (FOMO – Fear Of Missing Out), nicht gut genug zu sein, den Anschluss zu verlieren. Wir rennen der Fülle hinterher, in der Hoffnung, dass sie uns erfüllt.

Und dann, irgendwann, kippt das Spiel.

Vielleicht ist es die viel zitierte Lebensmitte. Vielleicht ist es einfach eine stille Erschöpfung. Aber plötzlich spüren wir: Die Fülle füllt nicht mehr. Sie verstopft.

Die leere Seite als Luxus.

Im Design gibt es den Begriff „White Space“ – den Weißraum. Ein gutes Layout wirkt erst dann edel und lesbar, wenn es nicht vollgestopft ist. Es ist der leere Raum, der den Inhalten Luft zum Atmen gibt. Warum gönnen wir uns diesen „White Space“ so selten in unserem eigenen Leben?

„Mut zur Lücke“ klingt oft nach Defizit. Nach „nicht alles wissen“ oder „nicht alles können“. Für mich ist es heute, mit über 45, eine der wichtigsten Kompetenzen überhaupt. Es ist die bewusste Entscheidung, nicht mehr überall stattzufinden.

JOMO statt FOMO.

Ich übe mich neuerdings im JOMO (Joy of Missing Out) – der Freude am Verpassen.

  • Nein, ich muss nicht auf jedem neuen Social-Media-Trend tanzen.
  • Nein, ich muss nicht zu jedem Buch eine Meinung haben.
  • Nein, ich muss meinen Samstag nicht „produktiv“ nutzen.

Eine Lücke im Kalender ist kein Fehler im System. Sie ist der Raum, in dem Kreativität erst wieder entstehen kann. Wer ständig sendet, kann nicht empfangen. Wer ständig rennt, kann nicht navigieren.

Weniger Müssen, mehr Sein.

In meinem Bekanntenkreis erlebe ich oft Frauen, die sich dafür entschuldigen, dass sie „gerade nicht so viel schaffen“. Dabei ist genau das der Moment der Metamorphose. Wir häuten uns. Wir legen die Schichten ab, die wir nur getragen haben, um anderen zu gefallen.

Mut zur Lücke bedeutet: Ich vertraue darauf, dass ich auch dann wertvoll bin, wenn ich nichts leiste. Dass meine Relevanz nicht von meiner Frequenz abhängt.

Lass uns Lücken lassen. In den Bücherregalen für Neues. In den Gesprächen für das Nachhallen. Und im Alltag für das reine, zweckfreie Sein.

Wo hast du dich diese Woche gezwungen, etwas „durchzuziehen“, obwohl eine Lücke dir gutgetan hätte? Streiche heute bewusst einen Punkt von deiner To-Do-Liste. Nicht, weil du es nicht schaffst. Sondern weil du es dir wert bist.

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Hier ist es noch still. Magst du den Anfang machen?

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