Warum Stille manchmal eine Stimme braucht.
Draußen herrscht dieser graue, nasskalte Nebel, der nicht nur in die Kleidung, sondern auch in die Gedanken kriecht. Der Winter fordert uns viel ab. Er ist dunkel, er ist lang, und in unserer modernen Welt nehmen wir uns kaum noch das Recht, uns ihm anzupassen. Wir funktionieren weiter im Hochleistungsmodus, während die Natur längst schläft.
Genau deshalb sind Rituale für mich kein esoterischer Luxus, sondern ein überlebenswichtiger Anker. In einer Welt, die sich immer schneller dreht, in der die Erreichbarkeit total und die Ruhephasen rar sind, müssen wir uns unsere eigenen kleinen Inseln schaffen. Orte, an denen die Zeit für eine Stunde keine Rolle spielt.
Mein liebster Ort dafür ist gekachelt, dampfend heiß und nur bei Kerzenschein zu betreten.
Das Wasser und das Sein.
Es hat etwas Archaisches, den eigenen Körper in heißes Wasser zu gleiten zu lassen. Das Telefon bleibt draußen. Die Kälte bleibt draußen. Die Erwartungen anderer bleiben draußen. Für viele ist das Bad der Ort der Stille. Für mich nicht.
Hier kommt mein Pragmatismus ins Spiel – und vielleicht auch ein tief verwurzeltes Bedürfnis meines inneren Kindes.
Von Märchen und Mördern.
Priorität 1 bei meinem Baderitual sind nicht die Badezusätze (obwohl ich den Duft von Sandelholz liebe), sondern meine Kopfhörer. Ganz pragmatisch betrachtet: Wer will schon ein schweres Buch mit nassen Händen über den Wasserspiegel halten? Es ist unbequem, es ist riskant für das Papier, es stört das „Eintauchen“.
Aber da ist noch eine tiefere Ebene. Wenn ich im warmen Wasser liege, die Augen schließe und einer Stimme lausche, bin ich wieder das kleine Mädchen von früher. Damals waren es Märchenkassetten, die mich in fremde Welten entführten. Es war das Gefühl von Geborgenheit: Da ist jemand, der mir eine Geschichte erzählt. Nur für mich.
Heute sind die Geschichten dunkler geworden. Statt Gebrüder Grimm höre ich True Crime oder skandinavische Thriller. Es ist ein paradoxer Genuss: Während mein Körper in absoluter Sicherheit und Wärme entspannt, darf mein Geist in Abgründe blicken.
Der Anker im Sturm.
Vielleicht ist genau das die Definition von „Abschalten“ für uns kopflastige Menschen. Wir können das Denken nicht einfach ausschalten. Aber wir können es umlenken. Weg von der To-Do-Liste, hin zu einer Geschichte.
Rituale wie dieses sind mehr als Gewohnheit. Sie sind eine Verabredung mit uns selbst. Sie geben uns die Möglichkeit, das „Tun“ zu beenden und einfach nur zu „Sein“. Und wenn dieses Sein von einer spannenden Mörderjagd im Ohr begleitet wird? Dann ist das eben meine ganz persönliche Art von Meditation.
Und du?
Wie sperrst du die Welt aus, wenn es draußen kalt wird? Bist du Team Stille oder Team Hörbuch?
Erzähl es mir in den Kommentaren.
